Hunde gehören zu den beliebtesten Haustieren und sind für manche Menschen sogar beste Freunde. Wie aus dem Raubtier Wolf ein solch enger Sozialpartner für uns werden konnte, ist eine einmalige Erfolgsgeschichte. Wir verraten dir, wie die Domestikation des Hundes genau zustande kam.
Was bedeutet „Domestikation des Hundes“?
Der Begriff „Domestikation“ oder auch „Domestizierung“ wird vom lateinischen Begriff domesticus abgeleitet, der so viel wie „häuslich“ bedeutet. Er umschreibt den langwierigen Prozess der Veränderungen, der notwenig ist, um aus Wildtieren Haustiere werden zu lassen. Menschen nutzen seit Jahrtausenden unterschiedliche Formen der Domestikation dazu, die Nutzung bestimmter Tier- oder auch Pflanzenarten zu erleichtern oder zu verbessern.
Die erfolgreiche Domestikation einer Art führt zur genetischen Isolation von der ursprünglichen Wildform. Durch die gezielte Einflussnahme des Menschen werden natürliche Evolutionsprozesse ausgehebelt und durch künstliche, vom Menschen ausgewählte Zuchtziele ersetzt. Dadurch überleben nicht die Tiere, welche den natürlichen Anforderungen ihres Lebensraumes am besten gerecht werden, sondern jene, die den gewünschten Kriterien an Aussehen, Verhalten oder Fähigkeiten am ehesten entsprechen.
Nicht zu verwechseln ist die Domestikation des Hundes mit der Zähmung eines einzelnen Individuums. Diese ist zwar bei zahlreichen Wildtieren möglich, hebelt aber deren natürliche Instinkte und Verhaltensweisen in aller Regel nicht aus und wird auch nicht auf nachfolgende Generationen vererbt.
Wie wurde der Wolf zum Hund?
Die Wissenschaft ist sich inzwischen einig darüber, dass nur der Wolf als Stammvater aller heutige Hunde anzusehen ist. Die Theorie, dass auch Goldschakale zur Entstehung des Hundes beigetragen haben, wurde widerlegt. Aber wie kam es dazu, dass wilde Wölfe sich von Menschen in treue und gelehrige Begleiter verwandeln ließen?
Der genaue Zeitpunkt der „Hundwerdung“ ist bis heute nicht bekannt. Unterschiedliche archäologische Funde zeigen, dass offensichtlich bereits vor mindestens 33.000 Jahren hundetypische Merkmale an wolfsartigen Skeletten aufgetreten sind. Andere Forscher gehen sogar von einer genetischen Differenzierung zwischen Wolf und Hund vor mehr als 100.000 Jahren aus.
Auch eine örtliche Eingrenzung der ersten Domestizierung von Wölfen ist schwierig. Forscher konnten nachweisen, dass die heutigen Hunde von mindestens zwei unterschiedlichen Wolfspopulationen abstammen, und zwar aus Ostasien sowie aus dem südwesteurasischen Raum.
Wie kam es zu der Annäherung von Mensch und Wolf?
Selbst über die Frage, warum es zwischen Wolf und Mensch zu einer solchen Annäherung kam, wird viel spekuliert. Beide Spezies hatten ursprünglich ein sehr ähnliches Nahrungsspektrum und standen somit in Konkurrenz. Allerdings lebten beide auch in einem ähnlichen Sozialgefüge, nämlich in einer Gruppe bzw. einem Rudel.
Wahrscheinlich entdeckten sowohl Wölfe als auch Menschen, dass sie nicht nur konkurrierten, sondern in vielen Punkten voneinander profitieren konnten. Die Wölfe fanden Nahrungsreste in der Nähe menschlicher Siedlungen, und den Menschen halfen die feinen Sinne der Tiere dabei, Gefahren rechtzeitig zu erkennen oder Jagdbeute aufzuspüren.
So haben sich über einen sehr langen Zeitraum Wölfe und Menschen einander angenähert, bis schließlich die ersten Wolfswelpen per Hand aufgezogen wurden. Auch wenn es immer noch ein langer Weg bis zu unseren heutigen Hunden mit ihrer fast unglaublichen Rassenvielfalt war, begann sicherlich so der Prozess der ersten Domestikation einer wilden Tierart durch unsere Vorfahren.
Spezialisierung durch Zucht
Über die Zeit des Zusammenlebens zwischen Wölfen und Menschen entfernten sich die Vierbeiner sowohl im Aussehen als auch in ihrem Verhalten immer mehr von ihren wilden Vorfahren. Waren für diese Eigenschaften wie Vorsicht, Kampfbereitschaft, Kraft oder Eigenständigkeit noch unerlässlich zum Überleben, änderten sich für die Wölfe in menschlicher Obhut die Prioritäten.
So war es für die Menschen von besonderem Interesse, dass ihre Hauswölfe zutraulich und friedlich waren, sie ihnen sogar etwas beibringen konnten und nicht mit ihnen um das tägliche Essen kämpfen mussten. Damit begann die gezielte Zuchtauswahl solcher Tiere, bei denen diese gewünschten Eigenschaften besonders deutlich ausgeprägt waren.
Über viele Jahrtausende wurden dann immer spezialisierte Hunde gezüchtet – manche als besonders schnelle oder intelligente Jagdhelfer, andere zum Schutz von Hab und Gut, wieder andere zeigten ihre besondere Eignung zum Zusammentreiben und Bewachen der Viehherden, die nun ebenfalls in den ersten Siedlungen gehalten wurden.
Tatsächlich sind wahrscheinlich alle unsere heutigen Hunderassen ursprünglich für einen ganz bestimmten Verwendungszweck entstanden. Allerdings werden die meisten von ihnen in unserer heutigen Wohlstandsgesellschaft gar nicht mehr in ihren Fachgebieten eingesetzt, was leider oft zu einer völligen Unterforderung der Hunde und daraus resultierenden Verhaltensproblemen führen kann.
Sozialpartner Mensch
Wölfe sind Rudeltiere. Ein einzelner Wolf hat in freier Wildbahn auf Dauer kaum eine Überlebenschance. Auch Hunde sind hochsoziale Tiere und benötigen zwingend den Kontakt zu Artgenossen – oder eben dem Menschen. Denn tatsächlich war die Domestikation des Hundes durch uns Menschen so außerordentlich erfolgreich, dass Hunde mittlerweile den Menschen als wichtigsten Sozialpartner ansehen und ihn einem Hunderudel häufig vorziehen.
In Verhaltensversuchen konnte beispielsweise nachgewiesen werden, dass Wölfe ein in einem Käfig versperrtes Stück Fleisch mit Kraft herauszuholen versuchen. Ein Hund dagegen wartet ab und versucht mit Bellen, Winseln und Blicken, die anwesenden Menschen dazu zu bewegen, ihm den Käfig zu öffnen. Der Mensch ist für den Hund somit der Garant dafür, dass es ihm an nichts fehlt.
Strukturen und Rangordnung im Rudel
Wie im Wolfsrudel ist es allerdings auch im gemischten Mensch-Hund-Rudel sehr wichtig, dass es klare Strukturen und eine Rangordnung gibt. Der Vierbeiner braucht einen erfahrenen und souveränen „Leitwolf“, der Regeln aufstellt und Grenzen setzt. Daraus ergibt sich ein Gefühl von Sicherheit und Vertrauen – nur dann kann sich ein Hund problemlos in das Sozialgefüge der Gruppe einfügen.
Fehlen diese Strukturen, wird das den Vierbeiner verunsichern. Entweder steht er unter andauerndem Stress, wird nervös, ängstlich und gereizt, oder er versucht folgerichtig, selber die Leitung des Rudels zu übernehmen, was zu vielen Problemen im Zusammenleben führen muss. Daher ist es ungemein wichtig, dass Hundehalter sich mit der Verhaltensbiologie von Hund und Wolf auseinandersetzen und deren Kommunikationsweise verstehen lernen.
So klappt es mit der Verständigung
Hunde können nicht sprechen wie wir Menschen – dennoch verfügen sie über zahlreiche Möglichkeiten, miteinander zu kommunizieren. Tatsächlich haben unsere Haushunde inzwischen ihr Ausdrucksrepertoire um einige Aspekte erweitert, die speziell auf uns Menschen als Sozialpartner ausgerichtet sind.
- Zur innerartlichen Kommunikation gehören zahlreiche optische und akustische Ausdruckselemente, aber auch Berührungen und Gerüche spielen eine große Rolle. Zusätzlich haben unterschiedliche Studien ergeben, dass Hunde zum Beispiel
- den emotionalen Gehalt einer menschlich gesprochenen Botschaft erfassen
- anhand der Betonung unsere Worte interpretieren können
- immer wieder neue Wörter und deren Bedeutung lernen können, wenn diese mit ihnen trainiert werden – im Durchschnitt sogar mehr als 160 Einzelwörter
- auf menschliche Signale wie Augenkontakt, Fingerzeige oder gesprochene Richtungsweisung reagieren können
- eigene Strategien entwickeln, um ihrem Menschen ihre Bedürfnisse verständlich zu machen
Die Domestikation des Hundes hat zu einer deutlichen Anpassung von Verhaltensweisen geführt, die ihn klar vom Wolf unterscheiden und Mensch und Hund wahrlich zum Dream-Team machen.
Verwendete Quellen:
https://www.biologie-seite.de/Biologie/Domestizierung
https://www.ardalpha.de/wissen/natur/tiere/haustiere/wolf-hund-haushund-haustier-tier-isegrim-100.html
https://www.nationalgeographic.de/tiere/2020/06/wo-wurde-der-wolf-zum-freund-neue-studie-zur-domestizierung-des-hundes
Feddersen-Petersen, D.: Hundepsychologie, Kosmos-Verlag 1989