Hunde Genetik: Gene und Gendefekte beim Hund

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Hunde Genetik

Keine andere Tierart zeigt eine derart große Rassenvielfalt wie unsere Haushunde. Über die Jahrtausende des Zusammenlebens zwischen Mensch und Hund haben sich durch züchterische Einflussnahme, Umwelteinflüsse und spontane Erbgutveränderungen (= Mutationen) hunderte verschiedene Hunderassen entwickelt, die sich in Größe, Form und Verhalten zum Teil erheblich unterscheiden.

Dabei entscheiden die Gene eines Hundes nicht nur über sein äußeres Erscheinungsbild und seine Verhaltensweisen, sondern auch darüber, ob das Tier unter erblich bedingten Krankheiten leidet. Denn leider wurden und werden in der Hundezucht auch Gendefekte genutzt, um bestimmte optische Merkmale für eine Hunderasse zu erreichen.

Hunde-Genetik – wie die Vererbungslehre in der Hundezucht eingesetzt wird

Die Wissenschaft von der Weitergabe individueller Merkmale und Erbanlagen an die folgenden Generationen nennt man Genetik oder Vererbungslehre. Jedes Individuum verfügt über einen ganz bestimmten Genotyp, also eine Ansammlung von tausenden Erbinformationen. Die Ausprägung dieser Informationen in der äußeren Erscheinung nennt man Phänotyp.

Die DNA im Zellkern des Hundes besteht aus einem spiralförmig gewundenen Doppelsatz aus jeweils 39 Chromosomen, auf denen sämtliche Gene für jedes einzelne Körpermerkmal festgeschrieben sind. Nur in den Keimzellen, also Eizelle der Mutter und Samenzelle des Vaters, ist jeweils nur ein Chromosomensatz vorhanden.

Paaren sich zwei Tiere und zeugen Nachwuchs, bilden die Chromosomensätze wieder einen Doppelstrang, auf dem die einzelnen Gene als Allele doppelt angelegt sind. Jetzt setzt sich das Erbgut jeweils zur Hälfte aus den Genen der Mutter und denen des Vaters zusammen. Je nachdem, ob die Eltern für ein Merkmal reinerbig oder mischerbig sind, gibt es unterschiedliche Kombinationsvarianten.

Reinerbig oder homozygot ist ein Individuum, wenn beide Gene eines Allels die gleiche Information (z.B. Fellfarbe Schwarz = S) enthalten. Von mischerbig oder heterozygot spricht man, wenn beide Gene verschiedene Informationen (z.B. Fellfarbe Schwarz und Weiß = SW) tragen. Zudem unterscheidet man dominante und rezessive Allele, die sich in der Vererbung unterschiedlich durchsetzen. Das wird in der Genetik durch Buchstaben in Groß- und Kleinschreibung dargestellt:

WW = homozygot dominant Weiß
ss = homozygot rezessiv Schwarz
Ws oder wS = heterozygot, entweder Weiß oder Schwarz

Bei der Zucht der unterschiedlichen Hunderassen haben sich Menschen die Hunde-Genetik zunutze gemacht, indem sie genau jene Tiere zur weiteren Zucht einsetzten, die ihren gewünschten Merkmalen am ehesten entsprachen.

Die Mendelschen Regeln

Der Augustinermönch Gregor Mendel entdeckte um 1860 die Zusammenhänge von Vererbungsvorgängen bei Erbsenpflanzen und leitete daraus Regeln ab, welche als Grundlage der heutigen Genetik gelten.

Uniformitätsregel

Bei Paarung zweier Individuen, die sich in einem Merkmal (z.B. Fellfarbe) unterscheiden und für dieses Merkmal jeweils homozygot sind, tragen ihre Nachkommen der 1. Generation für dieses Merkmal alle die gleiche nun heterozygote Erbinformation und sehen in diesem Merkmal einheitlich aus:

SS x ww = Sw / Sw / Sw / Sw (4x Schwarz)

Spaltungsregel

Bei Paarung zweier gleichermaßen heterozygoter Individuen spalten sich diese Erbinformationen auf, die Nachkommen der nächsten Generation sind für dieses Merkmal nicht mehr uniform und sehen in diesem Punkt verschieden aus:

Sw x Sw = SS / Sw / Sw / ww (3x Schwarz, 1x Weiß)

Unabhängigkeitsregel

Bei Paarung zweier Individuen, die sich in zwei Merkmalen (z.B. Fellfarbe und Felllänge) unterscheiden und für diese jeweils homozygot sind, werden die Merkmale an die Nachkommen der Nachkommen unabhängig voneinander vererbt:

SSll x wwKK = SlwK / SlwK / SlwK / SlwK (4x Schwarz kurzhaarig)
SlwK x SlwK = SSll / wwKK / SwKl / wwll (alle Varianten)

Genetische Zusammenhänge

Die von Mendel festgestellten Gesetzmäßigkeiten der Vererbung beziehen sich auf Merkmale, die über ein einziges Gen festgelegt werden. Nur dann können Uniformitätsregel, Spaltungsregel und Unabhängigkeitsregel so klar angewendet werden. Sehr viele Merkmale unserer Hunde werden aber durch das Zusammenwirken mehrerer Gene bestimmt und vererbt.

Entscheidend für die Ausprägung eines Merkmals ist auch der sogenannte Erbgang, der dominant-rezessiv, kodominant oder intermediär sein kann.
Zudem unterscheidet die Genetik zwischen qualitativen und quantitativen Merkmalen. Und nicht zuletzt bestimmen nicht ausschließlich die Gene, sondern auch zahlreiche Umweltfaktoren, wie ein Individuum sich entwickelt.

Dominanter Erbgang

Die genetische Merkmalsinformation des einen Elternteils ist stärker als die des anderen, so dass die Nachkommen der ersten Generation alle diese dominante Information aufweisen. Im Genom bleiben dennoch beide Anlagen gespeichert.

Beispiel Farbgenetik Hund:
Vater homozygot dominant schwarz (SS), Mutter homozygot rezessiv weiß (ww), alle Nachkommen heterozygot schwarz (Sw)= Dominanter Erbgang für Schwarz

Rezessiver Erbgang

Die genetische Merkmalsinformation des einen Elternteils ist schwächer als die des anderen, keine Nachkommen der ersten Generation zeigen dieses Merkmal, tragen aber die Anlage dazu rezessiv in ihrem Genom.

Beispiel Farbgenetik Hund:
Vater homozygot rezessiv schwarz (ss), Mutter homozygot dominant weiß (WW), alle Nachkommen heterozygot weiß (sW) = Rezessiver Erbgang für Schwarz;

Intermediärer Erbgang

Die genetischen Merkmalsinformationen beider Eltern mischen sich, alle Nachkommen der ersten Generation zeigen dieselbe Mischform des Merkmals.

Beispiel Farbgenetik Hund:
Vater homozygot schwarz (SS), Mutter homozygot weiß (WW), alle Nachkommen heterozygot grau (SW) = Intermediärer Erbgang

Kodominanter Erbgang

Die genetischen Merkmalsinformationen setzen sich gleichermaßen durch, die Nachkommen zeigen jedes Merkmal.

Beispiel Farbgenetik Hund:
Vater homozygt schwarz (SS), Mutter homozygot weiß (WW), alle Nachkommen heterozygot schwarz-weiß gefleckt (SW) = Kodominanter Erbgang

Qualitative Vererbung

Bestimmte Merkmale oder Eigenschaften von Hunden wie zum Beispiel die Fellfarbe und Länge der Haare, die Form der Ohren oder auch die Ausprägung einiger Erbkrankheiten werden von nur einem oder zumindest wenigen Genen bestimmt und durch Umweltfaktoren gar nicht oder nur minimal beeinflusst. Solche Merkmale lassen sich in der Tierzucht selektiv auswählen und werden nach den Mendelschen Regeln vererbt.

Quantitative Vererbung

Andere Merkmale oder Eigenschaften werden von vielen unterschiedlichen Genen bestimmt und zudem von Umweltfaktoren beeinflusst, etwa die Körpergröße, die Leistungsfähigkeit, komplexe Verhaltensweisen oder auch viele Krankheiten mit erblicher Komponente. Solche Merkmale lassen sich nur schwer durch Zuchtauswahl vorhersagen oder beeinflussen.

Gendefekte beim Hund

Die große Vielfalt an Merkmalen, in denen sich die zahlreichen Hunderassen unterscheiden, sind zum Teil auch durch Veränderungen des Erbgutes entstanden, die auf Defekten beruhen. Bei sehr vielen Hundekrankheiten geht die Wissenschaft mittlerweile davon aus, dass genetische Zusammenhänge bestehen, die auch vererbt werden – manche dominant, manche rezessiv. Hier einige Beispiele:

MDR1-Gendefekt beim Hund

Bei bestimmten Hunderassen führt ein Defekt im sogenannten MDR1-Gen unter anderem zu einer Störung der Blut-Hirn-Schranke. Dadurch reagieren betroffene Tiere auf bestimmte Arzneimittel überempfindlich mit zum Teil schweren Hirn- und Nervenschäden.

Liegt der MDR1-Gendefekt beim Hund homozygot vor, sind die Tiere extrem anfällig und gefährdet. Bei heterozygoter Ausprägung kommt es meist zu milden Symptomen. Nach Vorgaben des Zuchtverbandes VDH müssen potentielle Zuchttiere auf diesen Gendefekt getestet werden, bevor eine Zuchtfreigabe erfolgt.

Betroffen sind vor allem Collies und deren Mischlinge, aber auch Rassen, die in ihrer Zuchtgeschichte mit Collies gekreuzt wurden, wie Sheltie, Australian Shepherd, Bobtail oder Border Collie.

Spezielle Medikamente gegen bestimmte Parasiten (Ivermectin), viele Antibiotika und mehrere Narkosemedikamente können bei betroffenen Hunden zu schweren Vergiftungserscheinungen bis hin zu Koma und Tod führen.

Brachyzephales Syndrom

Um eine Verkürzung der Nase und eine besonders „niedliche“, runde Kopfform zu erreichen, wurde bei einigen Rassen eine Missbildung der Nasenknochen und Verformungen des Rachens mit überlangem Gaumensegel durch Zuchtauswahl hervorgehoben. Dadurch ist die Atmung bei diesen Hunden meist stark beeinträchtigt.

Folgeerkrankungen aufgrund der genetischen Disposition zur Kurznasigkeit sind oft Augenprobleme mit Entzündungen (Entropium), Neigung zu Geburtsproblemen, Zahnfehlstellungen oder auch chronischen Entzündungen der Verdauungsorgane. Betroffen sind unter anderem die Rassen Mops, Englische Bulldogge, Pekinese, Französische Bulldogge, Boxer oder auch Chihuahua.

Die extreme Zucht auf körperliche Missbildungen, bei denen mit Schmerzen, Leiden oder Schäden für das Tier gerechnet werden muss, wird laut Tierschutzgesetz als Qualzucht bezeichnet und ist in Deutschland verboten.

Weitere Beispiele für häufige Erbkrankheiten bei Hunden

  • Progressive Retinaatrophie: Erblindung durch beidseitige Degeneration der Netzhaut, tritt bei zahlreichen Hunderassen auf
  • Diabetes mellitus: Erhöhter Blutzucker aufgrund eines Insulinmangels
  • Atopische Dermatitis: Allergische Entzündungen der Haut
  • Hüftdysplasie: Deformation des Hüftgelenkes mit Arthrose und Lahmheit, vor allem große und schwere Hunde sind betroffen
  • Idiopathische Epilepsie: Störung der Reizverarbeitung im Gehirn mit schweren Krampfanfällen
  • Viele Krebserkrankungen bei Hunden sind ebenfalls erblich bedingt
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